Im Prozess zum Tod von drei in einem Dorfteich in Nordhessen ertrunkenen Geschwistern ist das Urteil gefallen. Das Amtsgericht Schwalmstadt verhängte gegen den angeklagten Bürgermeister Klemens Olbrich eine Geldstrafe in Höhe von 12.000 Euro (120 Tagessätze zu 100 Euro). Verurteilt wurde Olbrich wegen fahrlässiger Tötung durch Unterlassen.
Die Geldstrafe ist allerdings für zwei Jahre zur Bewährung ausgesetzt. Zahlen muss Olbrich zudem 4000 Euro für eine gemeinnützige Einrichtung. Laut Gericht verletzte er die Verkehrssicherungspflicht für den Teich, der erhebliches Gefahrenpotenzial aufwies.
Ein Artikel der Zeitschrift KOMMUNAL
Rückblick: Es geht um drei in einem Dorfteich ertrunkene Kinder in Neukirchen in Nordhessen. Die fünf, acht und neun Jahre alten Kinder hatten ohne ihre Eltern an der Badestelle gespielt und ertranken. Der genaue Hergang wurde nie geklärt, die Kinder wurden erst am späten Abend nach 23 Uhr leblos in dem Wasser gefunden. Ihr elfjähriger Bruder hatte die erste Leiche Stunden später gefunden, daraufhin rückte ein Suchkommando der DLRG an und fand später auch die anderen beiden Kinder tot in dem Wasser. Später sagten Gerichtsgutachter aus, die beiden kleineren Kinder hätten vermutlich etwa vier Stunden in dem Wasser gelegen, bis sie gefunden wurden. Der neun Jahre alte Bruder sei vielleicht erst später ertrunken, habe möglicherweise etwa zwei Stunden leblos im Wasser gelegen. Auch seien die Kinder möglicherweise nicht an der Stelle ertrunken, an der sie gefunden wurden.
Durch den Teich fließt ein Bach, es hatte vorher ausgiebig geregnet. Möglicherweise sei so in dem eigentlich harmlosen Bach eine Strömung entstanden.
Rechtlich waren vor dem Urteil Missverständnisse entstanden. Immer wieder wurde gesagt, es handle sich um einen Löschwasserteich. Diese müssen tatsächlich von einem Zaun mit 1,25 Metern Höhe umgeben sein. Das Wasser wurde aber schon seit Jahren nicht mehr als Löschwasserteich unterhalten, sondern diente als Freizeitanlage mit Grillplatz.
Pikant auch: Mehrere Anwohner hatten berichtet, dass die Dorfbewohner den Vater der Kinder zuvor immer wieder darauf hingewiesen hätten, er müsse besser auf seine Kinder aufpassen. Denn diese seien - so heißt es in einer Online-Petition, die sich für den Bürgermeister eingesetzt hat - "überall mit dem Fahrrad herumgefahren, auch mitten auf der Straße". Das ganze Dorf sei für die Kinder ein "Abenteuerspielplatz" gewesen.
Darum sieht das Gericht die Schuld des Bürgermeisters als erwiesen an
Das Amtsgericht Schwalmstadt in Nordhessen sah es als erwiesen an, dass Olbrich seiner Verkehrssicherungspflicht nicht nachgekommen sei. Der Teich war vor Jahren saniert worden, dabei war ein Teil des Ufers mit Pflastersteinen befestigt worden. Die Steine seien über die Jahre glitschig geworden und so sei eine gefährliche Stelle entstanden, erklärte die Richterin. Deshalb hätte der Bürgermeister die Stelle mit Rettungssteinen oder Gittern sichern müssen, urteilte das Gericht.
Auch die Oberstaatsanwältin hatte zuvor in ihrem Plädoyer noch einmal auf schuldig plädiert, hatte eine Geldstrafe von 9000 Euro gefordert. Ihre wörtliche Begründung sollte allen Bürgermeistern und Kommunalpolitikern im Ohr sein, hat sie doch wohlmöglich eine verheerende Signalwirkung: "Ein Bürgermeister trägt die Verantwortung für seine Bürger", sagte sie wörtlich.
So geht Bürgermeister Olbrich mit dem Urteil um
Olbrich hatte in seinem Schlussvortrag vor Gericht noch einmal von einer Tragödie gesprochen, die ihm außerordentlich leid tue. Die Zeit seit dem Ertrinken sei für ihn eine Tortour gewesen, die ihn vermutlich sein ganzes Leben belasten werde. Eine Mitverantwortung lehnte er jedoch ab, die Nutzung des Gewässers obliege dem allgemeinen Lebensrisiko. Sein Anwalt kündigte direkt nach dem Urteil an, in Berufung zu gehen. Er war sich zuvor auch in Gespräch mit KOMMUNAL absolut sicher, dass dieser Prozess keine Chance hat. Das Gespräch mit Anwalt Karl Christian Schelzke mit seiner Begründung zum Freispruch können Sie bei uns HIER als Audiodatei noch einmal Nachhören.
Was bedeutet das Urteil für Bürgermeister in ganz Deutschland?
Der Fall in Neukirchen hatte in ganz Deutschland für Aufsehen gesorgt, viele Kommunen hatten auf die Entscheidung gewartet. Denn das Urteil hat unweigerlich Auswirkungen auf andere Städte und Gemeinden, die ähnliche Teiche und Gewässer haben. Der Teich in Neukirchen wird - wie berichtet - seit vielen Jahren als Freizeitanlage mit Grillplätzen genutzt, ein Schild wies auf mögliche Gefahren hin. Dort heißt es: "Betreten auf eigene Gefahr. Eltern haften für Ihre Kinder". Ganz offensichtlich sind solche Schilder also vor Gericht nichts wert.
Quellen:
kommunal.de/buergermeister-verurteilt
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