Berufskrankheitenrecht ändert sich ab 2021

Zum 1. Januar 2021 ändert sich das Berufskrankheitenrecht. Wer nachweislich eine Berufskrankheit hat, muss oder darf nun seine Tätigkeit weiter ausüben. Dies ist die wohl gravierendste Änderung in der entsprechenden Rechtsgrundlage, die nun amtlich ist. Auf der anderen Seite soll die Reform auch die Ursachen-forschung verbessern.

Das Berufskrankheitenrecht betrifft Krankheiten, die sich eine versicherte Person bei ihrer Arbeit zugezogen hat und die laut Berufskrankheiten-Verordnung anerkannt sind. Infrage kommende Erkrankungen müssen (nach den Erkenntnissen der medizinischen Wissenschaft) durch besondere Einwirkungen verursacht worden sein, denen bestimmte Personengruppen durch ihre Arbeit ausgesetzt sind – und zwar in erheblich höherem Grad als die übrige Bevölkerung.

Nur:  Während ein Arbeitsunfall ein konkretes Ereignis darstellt und daher meist eindeutig ist, dass sich der Unfall im Betrieb oder auf dem Arbeitsweg zugetragen hat, hat eine Krankheit einen in der Regel längeren Entwicklungsprozess, der vielfältige Ursachen haben kann. Deshalb wird bei einem Verdacht auf eine Berufskrankheit häufig umfangreich und lange ermittelt. Wesentliche Kritikpunkte im bisherigen Berufskrankheitenverfahren sind mangelnde Transparenz und eine lange Bearbeitungsdauer. Beides soll sich durch das neu gefasste Berufskrankheitenrecht verbessern.

Was die Neuregelungen im Berufskrankheitenrecht umfassen

Am 23. Juni 2020 wurde das „Siebte Gesetz zur Änderung des Vierten Buches Sozialgesetzbuch und anderer Gesetze (7. SGB IV-ÄndG)“ im Bundesgesetzblatt verkündet. Teil dieses umfangreichen Gesetzes sind auch etliche Maßnahmen, mit denen das Berufskrankheitenrecht weiterentwickelt wird. Das 7. SGB IV-ÄndG hatte der Deutsche Bundestag bereits am 7. Mai 2020 beschlossen. Es geht in weiten Teilen auf Vorschläge der Selbstverwaltung der Unfallversicherungsträger zurück.

Der Wegfall des Unterlassungszwangs

Ein zentraler Punkt der Reform ist der Wegfall des Unterlassungszwangs, der bislang bei neun Berufskrankheiten bestand. Darunter: schwere Hautkrankheiten, einige Atemwegserkrankungen sowie vibrationsbedingte Durchblutungsstörungen. Mit dem Unterlassungszwang mussten viele Arbeitnehmer bisher ihre Arbeit aufgeben, um Leistungen aus der gesetzlichen Unfallversicherung zu bekommen. Sie wurden arbeitslos oder erschienen dennoch zur Arbeit, weil eine eventuell geringe Entschädigung finanziell nicht ausgereicht hätte.

Durch die Neuregelung haben Beschäftigte künftig trotz einer Berufskrankheit die Möglichkeit, an ihrem bisherigen Arbeitsplatz weiterzuarbeiten. Um ihnen das zu ermöglichen, soll die Individualprävention ausgebaut werden. Das bedeutet: Wenn bei einem Mitarbeiter der Verdacht einer Berufskrankheit besteht, wird dieser verpflichtet, an individual-präventiven Maßnahmen der Berufsgenossenschaft (BG) teilzunehmen und an Maßnahmen zur Verhaltensprävention mitzuwirken.

Stärkung des Ärztlichen Sachverständigenbeirats

Bisher nur ein ehrenamtliches Gremium mit geringem Budget, erhält der Ärztliche Sachverständigenbeirat nun eine Geschäftsstelle bei der Bundesanstalt für Arbeitsschutz und Arbeitsmedizin sowie personelle und finanzielle Unterstützung. Die Hoffnung: Die Entscheidung, ob eine neue Erkrankungsform eine offiziell anerkannte Berufskrankheit ist, fällt dadurch schneller. Bislang tagte das Gremium nur viermal im Jahr.

Einrichtung eines Arbeitsplatz- und Gefährdungskatasters durch die gesetzliche Unfallversicherung

Bislang fehlten oft Erkenntnisse über die Gefährdungen, denen die Versicherten während ihrer Tätigkeit ausgesetzt waren. Daher sollen die Unfallversicherungsträger nun mehr Daten erheben und Arbeitsplätze mit den jeweiligen Gefährdungen in einem Expositionskataster archivieren. Potenzielle Auslöser von Berufskrankheiten sollen somit an zentraler Stelle dokumentiert werden, um auf viele Jahre hinaus abrufbar zu sein. Die Kataster sollen es Arbeitnehmern dann leichter machen, ihre Berufskrankheit nachzuweisen.

Hierzu gehört auch die Umstellung auf ein neues Verwaltungssystem: Statt der bisherigen Mitgliedsnummer der BG soll jedes Unternehmen bis 2023 eine Unternehmensnummer erhalten. Da alle Berufsgenossenschaften und Unfallkassen darauf zugreifen können, sollen somit die beruflichen Expositionen einfacher und lückenloser rückverfolgbar sein.

Die Regelungen treten zum 1. Januar 2021 in Kraft.

Stimmen zur Reform im Berufskrankheitenrecht

Laut Berufsgenossenschaften und Unfallkassen sind die Änderungen zu begrüßen. Den Wegfall des Unterlassungszwangs sehen sie als großen, richtigen Schritt und sie erhoffen sich von der Gesetzesänderung weitere Fortschritte bei der Prävention.

Von Länderseite und Arbeitnehmerverbänden kommt jedoch auch Kritik. Insbesondere sei zu bemängeln, dass an der hohen Beweislast für Betroffene nicht gerüttelt wurde: Gerade, wenn die nötigen Belege nicht mehr zu beschaffen sind (zwischen Exposition und Ausbruch einer Berufskrankheit können Jahre vergehen), seien Beweiserleichterungen nötig. Eine Härtefallregelung z.B. würde Betroffenen von seltenen Erkrankungen Leistungen auch dann ermöglichen, wenn der Nachweis einer Berufskrankheit schwer falle.

 

Quelle: https://www.weka.de/arbeitsschutz-gefahrstoffe/berufskrankheitenrecht/