Ein neues Projekt im Teammeeting pitchen, während der Schweiß von der Stirn rinnt? Oder in einem 30 Grad warmen Klassenzimmer die Schülerinnen und Schüler zu konzentrierter Arbeit motivieren? Beschäftigten wird einiges abverlangt, wenn im Sommer nicht nur draußen, sondern auch in Innenräumen die Temperaturen steigen. Betroffen sind üblicherweise Büros, Lagerräume, Ladengeschäfte sowie Räume in Bildungs- und Gesundheitseinrichtungen, in denen es sich besonders aufheizt.
Gesundheitliche und wirtschaftliche Risiken von Wärmebelastung kennen
Ein paar Schweißtropfen sind noch das kleinste Problem: „Studien zum Thema belegen, dass die Produktivität bei der Arbeit abnimmt, je wärmer es wird“, sagt Sebastian Dohm, Wissenschaftler am Institut für Arbeitsschutz der DGUV (IFA) im Bereich Technische Schutzmaßnahmen, Raumklima, Innenraumarbeitsplätze. „Sind Menschen gesundheitlich vorbelastet, steigt bei erhöhter Wärmebelastung zudem das Risiko für Herz-Kreislauf-Probleme.“ Aufgeheizte Arbeitsräume sind somit ein wirtschaftlicher, aber auch ein gesundheitlicher Risikofaktor. Umso wichtiger sind gezielte Maßnahmen, durch die Beschäftigte geschützt werden. Hier sind besonders die Führungskräfte gefragt. Diese müssen, betont Sebastian Dohm, zwar nicht „alle Lösungsmöglichkeiten kennen, sollten aber Probleme erkennen“.
Mithilfe der Gefährdungsbeurteilung geeignete Maßnahmen ableiten
Die gesetzlichen Grundlagen liefert die Arbeitsstättenverordnung (ArbStättV). Konkrete Maßnahmen sind in der Technischen Regel ASR A3.5 „Raumtemperatur“ zusammengefasst. Es gilt: Ab 26 Grad Lufttemperatur in Arbeitsräumen sollen, ab 30 Grad müssen geeignete Schutzmaßnahmen getroffen werden, um die Wärmebelastung für die Beschäftigten zu verringern.
Welche der Maßnahmen nach dem TOP-Prinzip (technische vor organisatorische vor personenbezogene Maßnahmen) geeignet sind, wird mithilfe der Gefährdungsbeurteilung ermittelt. Verantwortlich sind immer die Arbeitgebenden – delegiert werden die Aufgaben aber meist an eine Fachkraft für Arbeitssicherheit und auch an die Führungskräfte.
Mögliche Maßnahmen gegen aufgeheizte Arbeitsräume
Nach ASR A3.5 „Raumtemperatur“ gilt: Gebäude müssen die baulichen Voraussetzungen gegen sommerliche Wärme mitbringen, zum Beispiel durch Dämmung und geeignete Sonnenschutzsysteme.
Steigt die Lufttemperatur in Arbeitsräumen über 26 Grad, sollen zusätzliche geeignete Schutzmaßnahmen ergriffen werden. Bei über 30 Grad ist dies verpflichtend. Ziel der Maßnahmen ist es, die Wärmebelastung für Beschäftigte zu reduzieren.
- Technische Maßnahmen: Jalousien zum Beispiel auch nach Betriebsschluss geschlossen halten, Lüftungsanlage zur Nachtauskühlung nutzen, Ventilatoren bereitstellen.
- Organisatorische Maßnahmen: Zum Beispiel Beschäftigte zu Risiken durch Wärme informieren, Arbeitszeiten flexibel gestalten, Getränke bereitstellen.
- Personenbezogene Maßnahmen: Bekleidungsregeln lockern, sommertaugliche Dienstkleidung bereitstellen.
Laut Sebastian Dohm zählt nicht die Art der Maßnahme, sondern das Ergebnis. „Wenn durch regelmäßiges Lüften die Temperatur unter 26 Grad sinkt, muss nicht zwingend eine Klimaanlage verbaut werden.“ Auch hier gilt: Führungskräfte müssen diese Maßnahmen nicht selbst erdenken, sollten sich aber mit der Fachkraft für Arbeitssicherheit abstimmen, welcheSchritte realistisch und zielführend sind. Wichtig ist, dass alle Beteiligten die Maßnahmen kennen, die in ihrem Bereich umsetzbar sind, sagt Dohm: „Es bringt nichts, wenn bekannt ist, dass es einen Lagerraum mit Ventilatoren gibt, aber niemand den Schlüssel dazu hat.“
Nicht zuletzt sind Führungskräfte bei der konkreten Umsetzung der Maßnahmengefragt – Stichwort Arbeitsgestaltung: „Sind für mehrere Tage sehr warme Temperaturen angekündigt, können beispielsweise die Gleitzeitregeln gelockert werden, um die heißen Nachmittagsstunden zu vermeiden“, so Dohm. Obliegen diese Entscheidungen nicht ihnen selbst, sollten sich Führungskräfte dazu mit ihren eigenen Vorgesetzten austauschen. Wichtig sei die Offenheit für sinnvolle Lösungen.
Offen und empathisch sollte auch die Kommunikationskultur zum Thema sein. Denn intensive Wärmeperioden können auch zu erhöhter psychischer Belastung führen. Sorgen und Beschwerden im Team sollten Vorgesetzte unbedingt ernst nehmen und im Zweifel bei den Maßnahmen nachjustieren. Sonst kann erhöhter Stress eine Folge sein. „Raumklima und Betriebsklima sind eng miteinander verknüpft“, betont Dohm. Er empfiehlt Führungskräften, sichmit den Kolleginnen und Kollegen des Betrieblichen Gesundheitsmanagements (BGM) auszutauschen. Das BGM kann Fragen etwa in einem Newsletter zu sommerlicher Wärme verarbeiten oder Infoveranstaltungen anbieten.
Risiken durch den Klimawandel ernst nehmen und Beratung einholen
Der Fokus auf das Thema wird umso wichtiger mit Blick auf den Klimawandel: Fachleute prognostizieren längere, intensivere Wärmeperioden. Doch gibt es dafür überhaupt ein Bewusstsein? Laut einer DGUV-Umfrage aus dem Jahr 2022 gab immerhin die Hälfte der befragten Führungskräfte an, dass ihr Betrieb bereits Maßnahmen ergriffen oder geplant hat, um den Klimawandelrisiken entgegenzuwirken. Die befragten Beschäftigten sahen bei Hitze in Innenräumen den größten Handlungsbedarf (62,2 Prozent) – auch im Vergleich mit anderen Risiken wie Extremwettern.
Umfrage zu Auswirkungen des Klimawandels
Mehr Infos zur Umfrage unter Beschäftigten zum Thema: Auswirkungen des Klimawandels auf die Sicherheit und Gesundheit bei der Arbeit.
Verantwortliche sollten sich rechtzeitig zu baulichen und technischen Maßnahmen beraten lassen. Einen dauerhaft kühlenden Effekt kann beispielsweise eine Dachbegrünung haben. „Auch die effektive Nachtauskühlung wird an Bedeutung gewinnen“, sagt Dohm. „Viele Lüftungsanlagen können so programmiert werden, dass sie nachts kühle Luft ins Gebäude leiten, wenn die Temperaturen sinken.“ Erste Ansprechperson ist die zuständige Aufsichtsperson der Unfallkasse oder Berufsgenossenschaft. Diese kann an weitere Fachleute vermitteln, etwa vom IFA. Auch eine qualifizierte externe Beratung ist möglich.
Das gilt im Homeoffice
Wer ist für das Raumklima im Homeoffice verantwortlich?
- Arbeitgebende sind nur für das Raumklima im heimischen Büro verantwortlich, wenn es sich um Telearbeit handelt; sprich einen vom Unternehmen fest eingerichteten Bildschirmarbeitsplatz.
- Bei Telearbeit gelten die gleichen Vorgaben wie in Unternehmen, ggf. müssen Arbeitgebende geeigneten Sonnenschutz installieren.
- Arbeiten Beschäftigte freiwillig mobil oder im selbst eingerichteten Homeoffice, sind sie selbst für die Raumtemperatur zuständig.
- Wichtig: Beschäftigten Homeoffice zu ermöglichen, weil es dort kühler ist als am Arbeitsplatz, kann individuell abgesprochen werden; eine offizielle Regel gibt es nicht.
Was hilft gegen hohe Raumtemperaturen im Homeoffice?
- Regelmäßig stoßlüften statt konstant das Fenster kippen.
- Direkte Sonneneinstrahlung durch möglichst helle Vorhänge oder Jalousien verhindern.
- Zimmer nachts bei offenem Fenster auskühlen lassen, soweit der Einbruchsschutz dies zulässt.
- Nicht benutzte technische Geräte ausschalten.
- Gut isolierte Fenster halten die Hitze ebenfalls draußen.
- Ventilator aufstellen.
Quelle: https://topeins.dguv.de/gesundheitsschutz/aufgeheizte-arbeitsraeume-waerme-draussen-lassen/